zum Artikel "Offenheit wagen - Schule und Corona", SZ 25./26.07.2020 von Axel Rühle

Besser: Vorbeugen!

JVA München Stadelheim - im Schulungsraum der Haftanstalt findet zum 16. Mal im Rahmen des Leonhard-Projektes "Unternehmertum für Gefangene" die Abschlussveranstaltung statt. Aus der Hand des Initiators und Leiters Dr. Bernward Jopen erhalten die fünfzehn Häftlinge ihr Diplom zum Unternehmer. Während der vergangenen sechs Monate haben sie aufgrund ihrer Bewerbung an dieser Resozialisierungsmaßnahme teilgenommen. Ehrenamtliche Profis aus der freien Wirtschaft haben ihnen die Grundlagen des Unternehmertums vermittelt, u.a. eine Geschäftsidee entwickeln, Vertrieb, Marketingstrategien ….

Zusätzlich zu den sechs hauptamtlichen Mitarbeitern und den Profis begleiten wir, eine Gruppe von etwa dreißig Ehrenamtlichen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, den Kurs in regelmäßigen Abständen, u.a. die Vorstellung der Geschäftsidee, Vertriebsgespräche, das Bewerbungsgespräch.

Was wir Teilnehmer in der persönlichen Begegnung auf Augenhöhe mit den Häftlingen an Offenheit, Sympathie, Vertrauen erleben, ist bewegend, berührend, beglückend. Und dies ganz besonders in der Abschlussveranstaltung. Zu dem Diplom erhalten die Häftlinge eine auf ihre Person zugeschnittene schriftliche Würdigung, die von Dr. Jopen laut vorgelesen wird. Und da fließen bei diesen gestandenen Mannsbildern immer wieder die Tränen. Wir, die wir an dieser Veranstaltung teilhaben dürfen, sind uns einig: Wenn diese Männer in ihrer Kindheit und Jugend diese Wertschätzung, Unterstützung, Zuneigung, Ermutigung, die Geduld, das Wohlwollen, das Verständnis für ihre Stärken und Schwächen erfahren hätten, wären sie nicht da, wo sie heute in ihrem Leben stehen.

Herr Rühle, ich stimme Ihnen zu, was die Rückkehr zum Präsenzbetrieb an Schulen angeht: "Die Schulen brauchen neue Unterrichtsformen und mehr Raum - zum Beispiel draußen (…). Gute Schule in der Pandemie wird viel Geld kosten, denn ohne zusätzliches Personal geht es nicht."

Mehr räumlicher Raum, neue Unterrichtsformen gewiss - plus notwendend das zusätzliche Personal an Sozialpädagogen, Schulpsychologen, Lehrern, mehr zeitlicher Raum für das offene, vertrauensvolle Gespräch mit den Schülern. Gilt es doch, die in der Pandemie erlittenen seelischen Verletzungen aufzufangen durch Ermutigung, Zuneigung, Wertschätzung …. Derart könnten auch vorbeugend Spätfolgen vermieden werden.